BVG-Personalvorstand Dirk Schulte zum Girls' Day

Berufsorientierung und Arbeitsmarkt

Gymnasien, Realschule, Hauptschule | Sekundarstufe I + II

Interview
05.04.2016

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) nehmen seit 2002 am Girls‘ Day teil. Ein Gespräch mit Dirk Schulte, Personalvorstand der BVG, über das Engagement des Unternehmens am Mädchen-Zukunftstag im Speziellen und Frauenförderung im Allgemeinen.

Herr Schulte, was erwartet die Schülerinnen an ihrem Schnuppertag bei der BVG?

Wir bieten in diesem Jahr 97 Praktikumsplätze an vier verschiedenen Veranstaltungsorten an. Dort versuchen unsere Ausbilder – zusammen mit ehemaligen und aktuellen Auszubildenden sowie unserer Frauenvertreterin – den Mädchen zu vermitteln, wie spannend und interessant Technik sein kann. Sie sollen ein Gespür dafür bekommen, wie es ist mit Maschinen zu arbeiten. In der Metallbearbeitung stellen sie zum Beispiel einen Schlüsselanhänger oder ein Namensschild her – auf jeden Fall etwas, das sie mit nach Hause nehmen, um Eltern, Geschwistern und Freunden sagen zu können: Hättest du geglaubt, dass ich so etwas selber machen kann?

Leider gilt Technik heute bei vielen jungen Leuten als old-fashioned. Sie wollen eher im Dienstleistungsbereich, im Bankensektor oder maximal noch in der IT arbeiten, wo man den ganzen Tag online sein kann und sich körperlich nicht so anstrengen muss.

Können Sie den Aufwand quantifizieren, den die BVG für den Girls‘ Day betreibt?

Will ich eigentlich gar nicht. Aber es ist schon sehr aufwendig. Nicht nur, dass wir am Tag X die Ressourcen bereitstellen, die Organisation fängt schon viel früher an. Wir schreiben die Schulen an und gehen teilweise auch dorthin, um für den Girls‘ Day zu werben. Unsere Auszubildenden beteiligen sich übrigens mit Begeisterung am Girls‘ Day. Sie sind die idealen Multiplikatoren – und haben selbst auch etwas davon, weil sie an solch einem Tag lernen, ihre Begeisterung zu vermitteln.

Haben Sie schon Auszubildende über den Girls‘ Day gewonnen?

Darum geht es uns nicht in erster Linie, sondern darum, dass sich die Mädchen noch mal grundsätzlich Gedanken über technische Berufe machen. Aber natürlich möchte auch die BVG mehr junge Frauen in die technischen Berufsausbildungen bekommen, daran führt für ein verantwortliches Unternehmen kein Weg vorbei.

Warum? Haben Sie zu wenige Bewerbungen?

Nein. Männliche Bewerber haben wir genug. Unser Ziel ist eine stärkere Durchmischung der Betriebe und der Werkstätten, die letztlich immer noch sehr männerdominiert sind. Gemischte Teams funktionieren aber immer besser als rein männliche oder rein weibliche Teams. Männer können Technik nicht per se besser als Frauen – und Frauen nicht besser als Männer, aber sie gehen an technische Fragestellungen häufig anders heran und kommen zu anderen Lösungen. Diversifizierung heißt übrigens noch mehr: Wir wollen auch altersgemischte und ethnisch gemischte Teams. Sie bringen kreativere Ideen hervor und stehen für eine andere Unternehmenskultur.

Sollen sich also auch Mädchen an Technikberufe heranwagen, die in der Schule eher Berührungsängste mit Naturwissenschaften haben?

Man muss kein Ass in Mathe oder Physik sein, um einen technischen Beruf erlernen können. Aber: Ein gewisses Grundverständnis und eine Portion Offenheit sind nötig. Man muss bereit sein auszuprobieren. Wer das nicht mitbringt, bekommt keinen Zugang dazu, wie Technik funktioniert.

Hat eine Bewerbung mit einer Fünf in Physik bei der BVG eine Chance?

Eher nicht – nicht wegen der schlechten Note in diesem speziellen Fach, sondern weil wir uns die Besten heraussuchen. Wir stellen allerdings manchmal, und das kann man durchaus für ungerecht halten, Frauen ein, die notenmäßig etwas schlechter da steht als ihre männlichen Mitbewerber, eben weil wir Frauen fördern wollen. Wir sagen uns und ihr dann einfach: Mit diesen Fähigkeiten kann sie die technische Ausbildung absolvieren und auch erfolgreich bestehen – denn darum geht es ja letztlich.

Hat sich der Anteil an weiblichen Auszubildenden, speziell in technischen Berufen in den vergangenen Jahren bei der BVG verbessert? Spüren Sie positive Auswirkungen des Girls‘ Day?

Die Frauenquote in den technischen Ausbildungen ist von 11 Prozent im Jahr 2012 auf 19 Prozent 2015 gestiegen. Das ist gut, keine Frage, aber wir hätten letztes Jahr gerne noch mehr Frauen genommen. Das Problem: Es gab keine weiteren Bewerberinnen.

Ich würde also schon sagen, dass sich die Teilnahme am Girls‘ Day für die BVG lohnt, aber nur weil er in MINT-Initiativen der Bundesregierung eingebettet ist und weil so viele Unternehmen mitmachen. Die BVG könnte mit solch einem Mädchentag für sich alleine wenig ausrichten.

Ist die BVG – trotz ihrer Vorstandsvorsitzenden – ein Männerladen?

Traditionell sind wir als Verkehrsbetrieb schon ein männerdominierten Unternehmen. Im Omnibusbereich haben wir letztes Jahr eine Kampagne gestartet „Fahrerinnen gesucht“ Da fühlten sich schon mal der eine oder andere Mann benachteiligt. Meine Antwort: Wenn wir 50 Prozent Frauen haben, stellen wir die Aktion ein.

Es erleichtert meine Arbeit schon sehr, dass eine Frau das Unternehmen führt. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass man Beruf und Familie miteinander vereinbaren kann und so ist das Thema Frauenförderung bei der BVG eine Selbstverständlichkeit.

Was macht die BVG denn neben dem Girls Day noch, um Frauen Technikberufe näher zu bringen?

Wir sind zum Beispiel noch an MINTlook beteiligt, einem neunmonatigen Probestudium, in dessen Rahmen junge Frauen verschiedene naturwissenschaftliche Studiengänge und Unternehmen kennenlernen können.

Außerdem gibt es heute so viele Möglichkeiten, Arbeitsgeräte und Arbeitsplätze auf eine frauengerechte Ergonomie einzustellen.

Wir versuchen einfach Frauen frühzeitig zu ermutigen, in technische Berufe zu gehen und darin auch eine Führungskarriere anzustreben.

Mit Erfolg?

Ja, auch deshalb, weil wir bei Einstellungen eine Frauenquote eingeführt haben, die sogar monetär bewertet wird. Wenn unsere Führungskräfte diese Quote nicht erfüllen, spüren sie das am Ende des Jahres an der Tantieme.

Das gilt auch für die technischen Bereiche. Die müssen nicht von heute auf morgen bei 20 Prozent liegen. Aber wir gucken, wo sie heute stehen, was das Unternehmensziel ist, und sagen ihnen dann zum Beispiel: Bei deinen 50 Einstellungen nächstes Jahr müssen 7 Frauen dabei sein.

So viel zur BVG. Wo könnte man aus Ihrer Sicht noch ansetzen, um Frauen in Technikberufe zu bringen?

Da muss auch viel aus dem Elternhaus kommen, zum Beispiel: Legobaukasten statt Barbiepuppe schenken, nicht nur den Sohn, sondern auch die Tochter zur Autoreparatur mitnehmen, das Fahrrad gemeinsam mit ihr flicken. Und ihr eben nicht nur die Banklehre nahelegen, sondern auch technische Ausbildungen in Erwägung ziehen.

Eine Rolle spielt zudem, was an der Schule passiert. Toll ist zum Beispiel die Ideen-Expo, die alle zwei Jahre in Hannover stattfindet. Da fahren busseweise Schulklassen hin und dann wird an den Ständen der ausstellenden Unternehmen gebaut, gebastelt, geschnitten, gesägt oder ein ganzes Auto zusammengebaut. So bekommen die jungen Leute ein Verständnis für Technik und sehen auch noch mal, dass alles, was wir heute nutzen, technikgetrieben ist.

Ein anderes Stichwort: Wie ist es um die Verdienstmöglichkeiten von Frauen in technischen Berufen bestellt?

Es steht und fällt damit, dass Frauen genauso bezahlt werden wie Männer. Grundsätzlich sind die Gehaltsaussichten im technischen Bereich heute aber nicht mehr schlechter als in den Verwaltungsberufen.