Investitionsschutzabkommen in der Diskussion

Globalisierung und Europa

Gymnasien, Realschule, Hauptschule | Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
22.09.2014

Stormy-Annika Mildner ist Leiterin der Abteilung Außenwirtschaftspolitik des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Sie sagt:

„Es ist sinnvoll, den Investitionsschutz im TTIP zu verankern.”

Investitionen sind Rückgrat und Motor der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen. Auf die USA entfallen rund 30 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen der EU. Investitionen fördern Wachstum und schaffen Arbeitsplätze. TTIP braucht daher ein Investitionskapitel – und zwar sowohl für Fragen des Marktzugangs als auch des Investitionsschutzes. So treffen ausländische Investoren in vielen Sektoren der USA – zum Beispiel in der Schiff- und Luftfahrt sowie im Mobilfunkbereich - immer wieder auf Hemmnisse, zum Beispiel auf Beschränkungen des Kapitaleigentums.

TTIP wird nicht alle diese Barrieren beseitigen, könnte aber die Basis für eine größere Offenheit im transatlantischen Markt schaffen. Deshalb ist es sinnvoll, den Investitionsschutz in TTIP zu verankern, auch wenn es sich bei den USA und der EU um hochentwickelte Rechtsstaaten handelt. Zu den wichtigsten Grundsätzen, die in einem solchen Kapitel festgeschrieben werden müssen, gehören Meistbegünstigung, Inländerbehandlung, faire und angemessene Behandlung und der Schutz vor direkter und indirekter Enteignung. Ohne einen Investor-Staat-Streit-Schlichtungsmechanismus (ISDS) würden einem solchen Kapitel jedoch die Zähne fehlen. Denn sollten die USA gegen den Vertrag verstoßen, kann ein Investor seinen Anspruch vor einem nationalen Gericht nur dann geltend machen, wenn dieses auch das Völkerrecht akzeptiert und anwendet. Und das ist nicht garantiert.

Auch aus strategischer Sicht wäre es falsch, auf ISDS zu verzichten. Gemeinsame Grundsätze würden die Verhandlungsmacht der EU und der USA gegenüber Drittländern stärken und den transatlantischen Partnern helfen, ihre Ordnungsvorstellungen international durchzusetzen. Und es würde ihnen die Möglichkeit geben, wichtige Reformen im internationalen Investitionsschutz voranzutreiben: unter anderem eine Verbesserung der Transparenz, Mechanismen gegen ungerechtfertigte Klagen und die Schärfung von Rechtsbegriffen. Denn nur so kann die Legitimität des Systems gewahrt werden. Dies ist wichtiger denn je, haben doch bereits einige Länder Investitionsschutzverträge aufgekündigt, darunter Südafrika, Bolivien und Ecuador, oder denken ernsthaft darüber nach, dies zu tun. Ein transatlantisches Abkommen wäre ein wichtiges Signal für diese Länder.

Michael Efler, Bundesvorstandsprecher Mehr Demokratie e.V., ist promovierter Sozialökonom. Seine Dissertation hat er über internationale Investitionsverträge geschrieben. Er sagt:

„Ein Investitionsschutzkapitel im Rahmen des TTIP stellt eine Gefahr für demokratische und rechtsstaatliche Standards dar.”

Ein Investitionsschutzkapitel im Rahmen des TTIP wird keine signifikanten positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen haben, es ist nicht notwendig und es stellt eine Gefahr für demokratische und rechtsstaatliche Standards dar. Bereits heute ist die Europäische Union das größte Zielland für US-amerikanische Auslandsinvestitionen – und umgekehrt. Der Bestand liegt bei jeweils über 1 Billion Euro. Investitionsbestände und -ströme lassen sich durch TTIP-Investitionsschutzregeln nicht entscheidend ausweiten, wie auch eine Studie der London School of Economics für Großbritannien festgestellt hat.

Investitionsschutzregeln sind zwischen den USA und der EU nicht notwendig. Beide Staaten haben ein positives Investitionsklima, die Verfassungen sichern Eigentumsrechte ab und es handelt sich um rechtsstaatliche Systeme mit einer effektiven Gerichtsbarkeit. Die wenigen Fälle einer vermeintlich diskriminierenden oder unfairen Behandlung von ausländischen Investoren in den USA, die die EU-Kommission nennt, waren bereits Gegenstand von Schiedsverfahren im Rahmen der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA. Die Schiedsgerichte fanden kein vertragswidriges Verhalten der USA; TTIP würde hier also nicht weiterhelfen.

Das TTIP soll laut dem - geheim gehaltenen, aber durchgesickerten – Verhandlungsmandat Investor-Staat-Schiedsverfahren enthalten. Diese würden es ausschließlich ausländischen Investoren ermöglichen, vor intransparent arbeitenden Schiedsgerichten hohe Schadenersatzforderungen zu stellen und häufig auch zu erhalten – als Kompensation für vermeintlich diskriminierende oder „unfaire“ Maßnahmen und Gesetze, und unter Umgehung staatlicher Gerichte. Diese Schiedsgerichte haben sich zu einer machtvollen Waffe für Großkonzerne entwickelt, um gegen ungeliebte Gesetzgebungen zu kämpfen. Der drohende oder umgesetzte Einsatz teurer Schadensersatzklagen setzt Regierungen unter Druck, bestimmte Maßnahmen gar nicht erst zu ergreifen oder umzusetzen.