Westdeutsche Großstädte: Hohe Armut trotz starker Wirtschaft

Staat und Wirtschaftspolitik

Gymnasien, Realschule, Hauptschule | Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
01.04.2015

Die Metropolregionen sind Garant der wirtschaftlichen Stärke Westdeutschlands, zugleich ballen sich hier auch die sozialen Probleme.

Die Arbeitslosigkeit ist in Großstädten meist höher als auf dem Land. Viele Ruhrgebietsstädte, aber auch Bremen, Wilhelmshaven, Kaiserslautern und Offenbach haben Arbeitslosenquoten von über zehn Prozent – das ist deutlich mehr als der westdeutsche Schnitt von sechs Prozent. Außerdem leben in den Städten mehr Geringqualifizierte, mehr Alleinerziehende und mehr Zuwanderer mit geringen Deutschkenntnissen sowie schlechter Ausbildung. Schon das führt dazu, dass das Armutsrisiko in den Städten höher ist, dort also relativ viele Menschen unter der offiziellen Armutsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens liegen. Sie müssen mit einem Einkommen von weniger als 870 Euro auskommen.

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass das Leben in Großstädten um einiges teurer ist als in ländlichen Regionen, vor allem wegen der höheren Mieten – von ein und demselben Einkommen kann man sich zum Beispiel im teuren München weniger leisten als in der Uckermark. Deswegen hat das Institut der deutschen Wirtschaft für seine Studie zu den regionalen Unterschieden in Sachen Armutsgefährdung nicht nur die Einkommen berücksichtigt, sondern auch die unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten – und auf diese Weise die sogenannte Kaufkraftarmut ermittelt. Vom Osten als Armenhaus Deutschlands zu reden, ist demnach nicht mehr haltbar. Zwar sind die Armutsquoten in den neuen Ländern leicht überdurchschnittlich, viel auffälliger ist jedoch das bundesweite Stadt-Land-Gefälle. Die alten Bundesländer profitieren also von ihren Großstädten nicht nur, sondern müssen sich auch stärker mit der sozialen Spaltung auseinandersetzen. Die Lage im Einzelnen (Stand 2012):

• In Köln müssen 26,4 Prozent der Einwohner mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 968 Euro auskommen, das ist – wie bei allen folgenden Städten auch – die an die örtlichen Lebenshaltungskosten angepasste Armutsgrenze. Damit ist Köln die Stadt mit der größten Kaufkraftarmut. Und das, obwohl die Arbeitslosenquote mit zuletzt zehn Prozent nicht auffällig hoch ist und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner mit 45.000 Euro sogar über dem Durchschnitt liegt. Die hohe Armutsquote ergibt sich vielmehr aus dem Zusammentreffen von hohem Preisniveau und großen Einkommensunterschieden – die zumindest zum Teil daher rühren, dass in der Domstadt sehr viele Studenten mit naturgemäß kleinem Budget leben.

• Berlin wird aufgrund seiner Größe und Geschichte in der Statistik noch zweigeteilt betrachtet, die grenzübergreifenden Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg werden dabei dem Westteil zugerechnet. Von den West-Berlinern müssen 24,5 Prozent mit einem Einkommen von weniger als 887 Euro auskommen. Das ist die dritthöchste Armutsquote aller deutschen Städte und Gemeinden. Im Westteil Berlins konzentrieren sich Problemkieze mit hohen Migrantenanteilen und Arbeitslosenquoten. Ost-Berlin ist dagegen unauffällig: Es steht mit einer Kaufkraftarmut von 18 Prozent sogar etwas besser da als München mit seinem extrem hohen Preisniveau.

 Die Bankenmetropole Frankfurt gehört mit einem Pro-Kopf-BIP von fast 83.000 Euro zu den wirtschaftsstärksten deutschen Zentren. Doch die gut verdienenden Banker treiben auch die Preise nach oben – zum Leidwesen derer, die nicht im Finanzsektor arbeiten, insbesondere der vielen Studenten in der Goethe-Stadt. Berücksichtigt man das höhere Preisniveau, liegt die Armutsschwelle in Frankfurt sogar bei einem monatlichen Einkommen von 1.022 Euro – und 23,5 Prozent der Frankfurter Bürger haben weniger zum Leben. Damit hat das vermeintlich reiche Frankfurt die siebthöchste Armutsquote aller 130 deutschen Regionen im Mikrozensus.

• Hamburg ist eine prosperierende Metropole mit einer Wirtschaftsleistung von gut 54.000 Euro je Einwohner, die Arbeitslosenquote ist mit 7,4 Prozent niedriger als in vielen anderen Städten (Stand September 2014). Durch die hohen Lebenshaltungskosten in der Hansestadt erhöht sich die Armutsschwelle jedoch von den bundesweiten 870 Euro auf 958 Euro – und darunter fallen 19 Prozent der Hamburger.

• München hat sogar Bruttoinlandsprodukt von knapp 60.000 Euro je Einwohner, ist aber das teuerste Pflaster Deutschlands. Das Preisniveau liegt 18 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, die Armutsschwelle steigt damit auf ein monatliches Einkommen von 1038 Euro – und wird von 18,2 Prozent der Münchener nicht erreicht.


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