Die Handwerksreform in Deutschland
Berufsorientierung und Arbeitsmarkt
Sekundarstufe I + II

Seitdem in mehr als der Hälfte der Handwerksberufe kein Meisterbrief mehr erforderlich ist, um einen Betrieb zu führen, ist einiges in Bewegung geraten.
Die Reform der Handwerksordnung im Jahr 2004 war Bestandteil der vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und der rot-grünen Bundesregierung angestoßenen Agenda 2010. Ziel war es zum einen, im bis dato stark regulierten Handwerk mehr Wettbewerb zuzulassen, und zum anderen, angesichts der damals sehr hohen Arbeitslosigkeit die Selbstständigkeit und die Beschäftigung zu fördern. Dazu wurden die 93 klassischen Handwerksgewerbe in zwei Kategorien eingeteilt:
Nicht zugangsbeschränkte Gewerbe: In 52 Handwerksberufen ist seit 2004 kein Meisterbrief mehr nötig, um einen Betrieb zu gründen oder zu führen. Diese Regelung gilt zum Beispiel für Parkettleger, Raumausstatter und Gebäudereiniger. Verzeichnet sind diese Berufe in der sogenannten Anlage B1 der Handwerksordnung.
Weiterhin zugangsbeschränkte Gewerbe: In jenen 41 Handwerken, die in der Anlage A der Handwerksordnung aufgeführt sind, ist grundsätzlich ein Meisterbrief erforderlich, um selbstständig zu arbeiten. Von dieser Regel gibt es drei Ausnahmen: Erstens dürfen Gesellen nach sechs Berufsjahren einen Betrieb gründen, zweitens kann ein Ingenieurstudium den Meisterbrief ersetzen, und drittens ist es möglich, einen Betrieb ohne Meisterbrief zu eröffnen, wenn für die Geschäftsführung ein Meister eingestellt wird.
Kriterium für die Zugangsbeschränkung ist zum einen die Gefahrneigung – wenn also die Ausübung des Berufs gefährlich sein kann oder Fehler Gefahren für andere nach sich ziehen. Zum anderen ist in zentralen Handwerksberufen wie Maurer, Maler und Friseur weiterhin ein Meisterbrief zur Betriebsgründung nötig, weil diese Gewerbe viele Lehrstellen bieten. So soll verhindert werden, dass die ausbildenden Meisterbetriebe von kleinen, nicht ausbildenden Neugründungen verdrängt werden.
Unmittelbar nach der Handwerksreform gab es einen deutlich mehr Neugründungen. In den Jahren 2004 (plus 4,8 Prozent) und 2005 (plus 4 Prozent) stieg die Zahl der Handwerksbetriebe von gut 846.000 auf etwa 923.000. Seit dem Jahr 2012 stagniert die Zahl nahezu.
Den Höchststand an Handwerksbetrieben gab es laut Zentralverband des Deutschen Handwerkes 2013. Damals wurde die Millionenmarke mit 1.008.593 Betrieben geknackt. Nachdem es von 2014 bis 2016 jedes Jahr einen leichten Rückgang gab, liegt die Zahl nach einem kleinen Plus 2017 nun bei 999 954 Betrieben. 57,4 Prozent davon entfallen auf zulassungspflichtige Betriebe, 24,4 Prozent auf zulassungsfreie und 18,1 Prozent auf handwerksähnliche Betriebe.
