Brexit - So könnten die Verhandlungen laufen

Globalisierung und Europa

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Hintergrundtext
02.02.2017
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In den anstehenden Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich muss die Europäische Union auf eine kompromisslose Strategie setzen. Nicht zur Bestrafung, sondern aufgrund ökonomischer Ratio: Zugeständnisse an die Briten wären aus spieltheoretischer Sicht falsch.

Vorbild Norwegen?

Noch bevor die Verhandlungen offiziell begonnen haben, stellen die Briten immer wieder Forderungen zu ihrem Ausscheiden aus der Europäischen Union. Die EU lässt sich nicht darauf ein, denn eine harte Verhandlungsposition ist aus europäischer Sicht die beste Strategie – zumindest langfristig betrachtet.

Das zeigt eine spieltheoretische Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft. Sie interpretiert den Verhandlungsprozess zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich als strategisches Spiel: Die Spieler können jeweils zwischen einer kompromisslosen und einer kompromissbereiten Verhandlungstaktik wählen. Um zu einem Vertragsabschluss zu kommen, müssen sich beide Seiten über den Zugang zum EU-Binnenmarkt, die Personenfreizügigkeit sowie die finanziellen Beiträge der Briten zum EU-Haushalt einigen. Daraus folgen vier mögliche Kombinationen.

Vier mögliche Szenarien

1. Die kompromisslose Haltung beider Seiten – der Exit-WTO: Nur über die Welthandelsorganisation hätten die Briten noch Zugang zum europäischen Markt. Für britische Unternehmen würden dann jährlich knapp sechs Milliarden Pfund an zusätzlichen WTO-Steuern fällig, die Regierung spart dafür neun Milliarden Euro an EU-Mitgliedsbeiträgen.

2. Die EU erlaubt den Briten ein Rosinenpicken – die Sonderlösung-UK: Die britische Regierung ginge als strahlender Sieger aus den Verhandlungen hervor.

3. Das Königreich gibt nach, die EU bleibt hart – die Norwegen-Lösung: Die Briten müssten, so wie Norwegen, EU-Gesetze übernehmen und weiterhin bis zu fünf Milliarden Euro pro Jahr für den EU-Haushalt nach Brüssel schicken.

4. Beide Verhandlungspartner sind kompromissbereit – Norwegen+: Das Vereinigte Königreich müsste niedrigere Beiträge zahlen und bekäme eine eingeschränkte Personenfreizügigkeit.

Keine Blaupause für Nachahmer

Wie geht das Spiel aus? Mit Blick auf die langfristigen Folgen kann es aus europäischer Sicht keine Sonderlösung-UK geben. Zu hoch wäre das Risiko, dass andere Staaten dem Vereinigten Königreich nacheifern. Die Europäer präferieren deshalb immer die kompromisslose Strategie, den Exit-WTO.
Aber auch das Vereinigte Königreich hat langfristig kein Interesse daran, dass die EU auseinanderfällt – worauf es bei einer Sonderlösung hinauslaufen könnte, weil andere EU-Staaten sich dann ebenfalls nur noch die Rosinen herauspicken wollen. Deshalb ist eine kompromissbereite Verhandlungsführung für die Briten die beste Entscheidung. Da die Gemeinschaft hart bleiben muss, liegt ein einziges sogenanntes Nash-Gleichgewicht – ein stabiles Ergebnis, bei dem kein Spieler vom Status Quo abweichen möchte – bei der Norwegen-Lösung.

Kompromissbereitschaft der EU ist nur kurzfristig attraktiv

Wenn die Verhandlungspartner allerdings die langfristige Nachahmer-Gefahr ignorieren und nur auf die kurzfristigen Auswirkungen schielen, ändert sich das Bild: Von der Sonderlösung-UK ginge eine große Verlockung aus, denn diese Option ist kurzfristig für beide Seiten wirtschaftlich attraktiv – würden die Geschäfte doch ohne große Zäsur weitergeführt.

Damit ergäbe sich neben dem Modell Norwegen ein zweites Nash-Gleichgewicht. Doch bei einer weitsichtigen Verhandlungsstrategie sollte das ausgeschlossen sein – die Risiken wären für beide Parteien zu groß. Deshalb heißt es für die EU und das Vereinigte Königreich am Ende wohl „Auf nach Norwegen“.


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