Die Schuldenländer: Irland

Globalisierung und Europa

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Hintergrundtext
21.08.2018
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Die Ausgangslage: Kaum ein anderes EU-Land hat in den vergangenen drei Jahrzehnten einen so großen Aufschwung geschafft wie das kleine Irland. Noch Mitte der 1980er Jahre hatte die Republik mehr Schulden, als alle Einwohner in einem Jahr erwirtschafteten. Mit jährlichen Wachstumsraten von 7 bis 10 Prozent und mit Hilfe von EU-Finanzspritzen katapultierte sich Irland nach oben und erreichte Ende der 1990er Jahre ein Pro-Kopf-BIP, das höher war als der EU-Durchschnitt.

Dazu beigetragen hat auch die Tatsache, dass Irland seine Unternehmenssteuern Ende der 1980er Jahre auf 10 Prozent senkte und ausländische Unternehmen damit anzog wie ein Magnet, insbesondere die Finanzwirtschaft. Viele Banken gründeten auf der grünen Insel sogenannte Zweckgesellschaften und lagerten so ihre hochriskanten Geschäfte aus – auch, weil die staatlichen Regulierungen in Irland bei weitem nicht so umfangreich waren wie in anderen Ländern.

Die Folge war, dass der Finanzsektor einerseits bald fast ein Drittel zum irischen Bruttoinlandsprodukt beisteuerte, und Irland andererseits von der Finanzkrise besonders heftig getroffen wurde. Allein im Jahr 2008 beschloss die Regierung in Dublin ein Sparpaket von fast 15 Milliarden Euro, das entsprach 9 Prozent des BIP. Und damit Irland die Auflagen erfüllen konnte, die der Internationale Währungsfonds und die EU an ihre Hilfspakete knüpften, folgten in den Jahren 2009 und 2010 vier weitere Sparprogramme, die unter anderem aus drastischen Einschnitten bei den Sozialleistungen sowie den Löhnen und Gehältern bestanden und deshalb heftige Proteste der Bevölkerung auslösten. Von den 85 Milliarden Euro des ersten Rettungsschirms entfielen allein 35 Milliarden Euro auf die Rettung irischer Banken.

Im Krisenjahr 2009 erlebte Irland mit minus 7,6 Prozent einen noch größeren Wachstumseinbruch als Deutschland. Doch wie die Bundesrepublik erholte sich die Insel extrem schnell und konnte schon 2011 wieder schwarze Wachstumszahlen schreiben.

Die Situation im Sommer 2013: Irland hat mit 118 Prozent des BIP (2012) zwar eine fast doppelt so hohe Staatsverschuldung wie bei seinem Beitritt zum Euro. Aufgrund der inzwischen wieder guten Wirtschaftsverfassung rechnen Experten jedoch damit, dass Irland den Rettungsschirm schon bald verlassen und sich wahrscheinlich schon im Laufe des Jahres 2013 wieder selbst am Kapitalmarkt finanzieren kann.

Gleichwohl müssen auch die Iren einen hohen Preis zahlen: Hatten sie vor der Finanzkrise noch Arbeitslosenquoten von weniger als 5 Prozent, sind die Quoten heute dreimal so hoch. Zwar gehören die Iren nach wie vor zu den wohlhabenden Europäern und erwirtschaften pro Kopf mehr als beispielsweise die Deutschen. Auf der anderen Seite aber ist kein anderes Volk der Euro-Zone privat so hoch verschuldet: In Relation zu ihrem Einkommen ist die Verschuldung der privaten Haushalte in Irland doppelt so hoch wie in Griechenland und fast dreimal so hoch wie in Italien. Die Aussichten, daran etwas zu ändern, sind alles andere als rosig. Denn die irische Erfolgsstory vor der Finanzkrise beruhte – ähnlich wie in Spanien – vor allem auf einem Bauboom, der allerdings auf Pump finanziert war. Jetzt, da die Bau-Blase geplatzt ist, haben sich die Häuserpreise fast halbiert – nicht aber die Hypothekenschulden der Menschen.

Die aktuelle Lage: Irland hat – wie Portugal und Spanien – den Rettungsschirm ESM inzwischen verlassen und kann sich auf den Finanzmärkten wieder selbst zu akzeptablen Zinssätzen refinanzieren, also Staatsanleihen auflegen.

Dieser Erfolg kam nicht von ungefähr: Schaut man Mitte 2015 auf die Entwicklung der wichtigsten ökonomischen Kennziffern, dann schneidet Irland von den fünf Krisenländern am besten ab. Nach dem heftigen Wirtschaftseinbruch infolge der Finanzkrise – im Jahr 2009 schrumpfte das irische Bruttoinlandsprodukt um 6,4 Prozent und damit um gut 2 Prozentpunkte mehr als im Euroraum – hat sich das Land wesentlich schneller erholt als andere Staaten: Im vergangenen Jahr erreichte Irland ein Wachstum von 4,8 Prozent, also dreimal so viel wie Deutschland und sogar fünfmal so viel wie der Euroraum insgesamt. Auch die weiteren Aussichten sind hervorragend: Für 2015 und 2016 prognostiziert die EU-Kommission der Insel Wachstumsraten von jeweils rund 3,5 Prozent – Werte, an die in Europa derzeit kaum ein anderes Land heranreicht.

Ähnlich beeindruckend ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit. Hatte sich die irische Arbeitslosenquote 2009 infolge der Finanzkrise innerhalb eines Jahres auf 12 Prozent verdoppelt und war bis 2012 sogar auf fast 15 Prozent gestiegen, lag sie 2014 nur noch bei etwas mehr als 11 Prozent und damit unter dem Durchschnitt aller Euroländer. In diesem Jahr und 2016 soll die Quote laut Kommissionsprognose sogar wieder unter die 10-Przoent-Marke sinken.

Die wichtigste Nachricht für die rund 4,6 Millionen Iren ist aber wohl die, dass ihr Bankensektor langsam aber sicher wieder gesundet. Zur Erinnerung: Noch vor wenigen Jahren steuerte der Bankensektor fast ein Drittel zum irischen BIP bei. Die Insel wurde deshalb von der Finanzkrise besonders hart getroffen und musste milliardenschwere Sparprogramme auflegen, die – ähnlich wie heute in Griechenland – aus drastischen Einschnitten bei den Sozialleistungen sowie bei Löhnen und Gehältern bestanden.