Internationaler Handel: Wie die EU ihre Wirtschaft schützen will

Globalisierung und Europa

Sekundarstufe II

Hintergrundtext
04.12.2023
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Um sich vor Attacken geopolitischer Widersacher zu schützen, entwickeln die USA, die G7, die Europäische Union sowie die Bundesrepublik Strategien und Gesetze, die der eigenen Wirtschaftssicherheit dienen sollen. Die neuen Regeln gelten grundsätzlich für alle Staaten, zielen aber primär auf China und Russland ab.

China ist der weltweit größte Grafitproduzent und -exporteur – ohne das Mineral lassen sich keine E-Batterien herstellen. Ab dem 1. Dezember 2023 müssen chinesische Exporteure für zwei Grafitprodukte eine Ausfuhrgenehmigung einholen. Auch für die Rohstoffe Gallium und Germanium, die ebenfalls relevant für die Energiewende sind, hat Peking Exportbeschränkungen verhängt. Als Begründung nennt das chinesische Handelsministerium neben der „Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität der globalen Liefer- und Industrieketten“ auch einen „besseren Schutz der nationalen Sicherheit und Interessen“.

Das ricardianische Außenwirtschaftsmodell, wonach jedes Land aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen vom internationalen Handel profitiert, ist spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs unter Druck. Statt komparative Kostenvorteile eines Handelspartners zu nutzen – zum Beispiel große Rohstoffvorkommen oder günstige Arbeitskräfte –, ist nunmehr von Abhängigkeiten gegenüber geopolitischen Widersachern die Rede, die es zu reduzieren gilt, weil man nicht erpressbar sein will.

Doch wie stellt man Wirtschaftssicherheit her? Es gibt drei Aspekte zu beachten:

  • Kritische Abhängigkeiten und resiliente Wertschöpfungsketten. Wie ein Blick auf die Rohstoffeinfuhren zeigt, ist Deutschland – so wie viele andere Industriestaaten – bei zahlreichen Gütern von Importen abhängig (Grafik):

Beim Elektronikmetall Gallium, das überwiegend aus China stammt, war Deutschland im Jahr 2020 mit einem Anteil von 65 Prozent an den weltweiten Einfuhren der größte Importeur.

Auch bei anderen Waren wie Vorprodukten für Medikamente ist die Abhängigkeit so groß, dass Peking ein Erpressungspotenzial hat. Und dass China sich nicht scheut, wirtschaftlichen Zwang auszuüben, haben Länder wie Japan, Australien und Litauen in den vergangenen Jahren bereits zu spüren bekommen.

Das Ziel: neue Freihandelsabkommen und mehr Eigenproduktion

Um Versorgungsrisiken zu minimieren, haben sich Deutschland und die EU ein De-Risking verordnet: einen gezielten Abbau kritischer Abhängigkeiten. Die EU will vor allem bei Rohstoffen, Halbleitern und erneuerbaren Energien unabhängiger werden und hat dazu weitreichende Gesetzesvorschläge erarbeitet. Dazu gehört der Critical Raw Materials Act, bei dem Mindestproduktionsquoten in der EU angestrebt werden. Auch neue Freihandelsabkommen und ein Umsteuern bei der Export- und Investitionsförderung im Ausland hin zu anderen Schwellenländern sollen die Abhängigkeit von China reduzieren.

Zum Jahresende führt die EU außerdem das Anti-Coercion Instrument ein. Es dient der Abschreckung und Abwehr von Wirtschaftszwang und sieht schnelle Gegenmaßnahmen wie beispielsweise Handelsbeschränkungen vor.

  • Schutz kritischer Infrastruktur. Spionage oder Sabotage von Mobilfunknetzen, der Wasser- und Stromversorgung oder der Transportinfrastruktur können gravierende, mitunter sogar lebensbedrohliche Folgen haben. Aus diesem Grund haben Deutschland und die EU in den vergangenen Jahren die entsprechenden präventiven Gesetze und Eingriffsmöglichkeiten deutlich verschärft.

Ausländische Übernahmen können untersagt werden

So ist es in Deutschland jetzt beispielsweise möglich, auch die Tätigkeit eines Privatakteurs aus dem außereuropäischen Ausland im 5-G-Netz zu verbieten, wenn die Gefahr besteht, dass dieses Unternehmen für seinen Heimatstaat Spionage oder Sabotage betreibt. Außerdem werden bei europäischen Firmen, die zur kritischen Infrastruktur zählen, geplante Übernahmen durch Investoren aus Drittstaaten im Rahmen des Inward-Investment-Screenings genau geprüft und gegebenenfalls untersagt.

  • Schutz vor unerwünschtem Technologietransfer. Wenn ausländische Firmen nach China gehen, müssen sie damit rechnen, dass ihre Technologie früher oder später von chinesischen Firmen übernommen wird. Handelt es sich dabei um besonders innovative Anwendungen und Produkte wie Halbleiter oder künstliche Intelligenz, mindert das in der Regel langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, aus dem die Technologie ursprünglich stammt. Zudem hilft dieses Vorgehen China auch bei seiner Strategie, technologisch unabhängiger vom Westen zu werden.

Im ungünstigsten Fall könnte die Regierung in Peking das vom Ausland übernommene technologische Wissen dazu nutzen, Chinas Militär technologisch entscheidend weiterzuentwickeln – ein Angriff auf Taiwan würde damit wahrscheinlicher.

Exportverbote für sensible Technologien?

Um diesen Technologietransfer einzugrenzen, hat sich die Gruppe der G7 im Mai 2023 in einer Erklärung zur Wirtschaftssicherheit dagegen ausgesprochen, dass Firmen aus den sieben beteiligten Industriestaaten China einen Zugang zu besonders sensiblen Technologien ermöglichen. So wird erörtert, ob bestehende Exportkontrollregeln verschärft werden müssen. Die US-Regierung beispielsweise hat bereits umfangreiche Verbote für die Ausfuhr von moderner Halbleitertechnologie verhängt. Zudem plant Washington, Auslandsinvestitionen von US-Firmen in den Bereichen Halbleiter, Quantentechnologie und künstliche Intelligenz zu kontrollieren, da sich diese auch militärisch nutzen lassen. Die EU-Kommission erwägt ein ähnliches Vorgehen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de