Agrarpolitik: Wie stark deutsche Bauern subventioniert werden

Globalisierung und Europa

Sekundarstufe II

Hintergrundtext
27.02.2024
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Die Bauern in Deutschland beziehen fast die Hälfte ihres Einkommens aus Subventionen. Neben Geld aus dem EU-Agrarfonds erhalten die Landwirte auch Finanzhilfen und Steuervergünstigungen vom Bund. Die geplante Streichung der Agrardieselsubvention würde das Einkommen eines durchschnittlichen Landwirtschaftsbetriebs um gut 2 Prozent schmälern.

Neun Hühner, 29 Kilogramm Schweinefleisch, 128 Äpfel und 230 Eier: Das sind nur einige der Lebensmittelmengen, die jeder Deutsche im Jahresdurchschnitt verspeist. Für sämtliche Nahrungsmittel sowie für alkoholfreie Getränke gaben die Bundesbürger im Jahr 2022 im Schnitt 11,5 Prozent ihres Einkommens aus. Das ist im EU-Vergleich wenig – noch niedriger war der Anteil nur in Irland, Luxemburg und Österreich.

Dass sich die Deutschen für vergleichsweise wenig Geld so gut versorgen können, hat viele Gründe. Zu den drei wichtigsten gehört erstens das relativ hohe Einkommensniveau in der Bundesrepublik. In weniger wohlhabenden Ländern wie Polen oder Rumänien müssen die Menschen im Durchschnitt deutlich höhere Anteile ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden.

Zweitens sorgt auch der starke Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel für niedrigere Preise. Und drittens ermöglichen es Subventionszahlungen für die Landwirtschaft den Bauern, ihre Erzeugnisse zu günstigeren Preisen anzubieten. Denn die Beihilfen im Agrarsektor sichern nicht nur die Einkommen der Landwirte, sondern dienen explizit auch der Standortsicherung, dem Erhalt der Kulturlandschaft, der Ernährungssicherung sowie der Absatzförderung.

Die meisten Subventionen bekommen die rund 255.000 deutschen Landwirtschaftsbetriebe aus Brüssel (Grafik):

Im Jahr 2022 erhielten deutsche Landwirte rund 6,9 Milliarden Euro aus dem EU-Agrarfonds.

Da sich die Höhe der EU-Zahlungen in erster Linie nach der Anbaufläche der Höfe bemisst, beziehen gleich vier Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern die höchsten EU-Zahlungen: Aufgrund der vielen großen landwirtschaftlichen Flächen dort flossen im Jahr 2022 an die Landwirte in den Landkreisen Ludwigslust-Parchim, Mecklenburgische Seenplatte, Vorpommern-Greifswald sowie Rostock zwischen 85 und 112 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die 14 Bauern in Offenbach am Main, dem bundesdeutschen Schlusslicht in Sachen EU-Agrarhilfen, kamen zusammen nur auf knapp 59.000 Euro.

Neben den EU-Subventionen erhalten die heimischen Bauern aber auch Geld vom Bund, das sich in Finanzhilfen wie jene zur Förderung besserer Tierhaltung sowie in Steuervergünstigungen wie beim Agrardiesel oder der Steuerbefreiung von der Kfz-Steuer gliedert (Grafik):

Im Jahr 2023 erhielten die deutschen Landwirte seitens des Bundes Finanzhilfen in Höhe von gut 2,6 Milliarden Euro.

Dazu kommen noch die Steuervergünstigungen der Länder und Kommunen. Diese Maßnahmen beliefen sich im Jahr 2023 auf 109 Millionen Euro.

Wie wichtig all diese Subventionen für die Bauern sind, zeigt ein Blick auf die Einkommen: Laut Bundesregierung flossen im Wirtschaftsjahr 2021/22 fast 48.000 Euro an Direktsubventionen an einen Durchschnittsbetrieb. Die staatliche Förderung machte mit 45 Prozent einen erheblichen Anteil des Betriebseinkommens aus, bei den großen landwirtschaftlichen Betrieben in den ostdeutschen Ländern sogar fast 50 Prozent.

Zwar haben die Bauern im Wirtschaftsjahr 2022/23 deutlich mehr erwirtschaftet – der durchschnittliche Unternehmensgewinn stieg um 45 Prozent auf stattliche 115.000 Euro – doch das muss nicht so bleiben. Schließlich ist die Landwirtschaft ein Unterfangen mit hohen Unsicherheiten, angefangen von den Wetterbedingungen über volatile Preisentwicklungen ihrer Produkte bis hin zum drohenden Subventionsabbau.

Agrardieselförderung macht 6 Prozent der Subventionen aus

Die Agrardieselförderung, deren angekündigter stufenweiser Wegfall zu den aktuellen Bauernprotesten in Deutschland führte, macht knapp 6 Prozent der Gesamtsubventionen für die Landwirtschaft aus. Ein durchschnittlicher Landwirtschaftsbetrieb, der 13.000 Liter Diesel im Jahr verbraucht, bekam im vergangenen Jahr 2.780 Euro zurückerstattet. Wird die Dieselbeihilfe tatsächlich und in vollem Umfang gestrichen, müssen die deutschen Bauern rein rechnerisch Einkommenseinbußen in Höhe von 2,4 Prozent erleiden.

Zugleich bleiben aber manche Gelder ungenutzt. So wurden im vergangenen Jahr fast 40 Prozent des Budgets für Ökoregelungen, mit denen Landwirte für freiwillige Umweltleistungen wie Blühflächen oder eine Bewirtschaftung ohne Pestizide honoriert werden, nicht ausgeschöpft.

Bei den Bauern kommt immer weniger vom Verkaufspreis an

Ein ungelöstes Problem bleibt außerdem, dass von den Ausgaben der Verbraucher für Lebensmittel immer weniger bei den Landwirten ankommt. Im Jahr 2021 betrug der ihnen zugegangene Anteil an den Verkaufspreisen für Eier 38 Prozent, 20 Jahre zuvor waren es 68 Prozent. Vom Milchpreis kamen 2021 nur noch 36 Prozent bei den Erzeugern an, 2001 waren es 43 Prozent. Bei Kartoffeln landeten zuletzt 23 Prozent der Erlöse bei den Bauern, 2001 waren es 10 Prozentpunkte mehr.

Für diesen Rückgang gibt es im wesentlichen drei Ursachen: Die Verbraucher kaufen immer häufiger verarbeitete Lebensmittel, die zwar zumeist teurer als unverarbeitete Nahrungsmittel sind, an denen aber vor allem die Lebensmittelindustrie verdient. Außerdem werden Lebensmittel immer häufiger verpackt und über weite Strecken transportiert, was ebenfalls in den Preis einfließt, aber nicht den Bauern zu Gute kommt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de