Die EZB kämpft mit stumpfen Waffen

Globalisierung und Europa

Sekundarstufe II

Hintergrundtext
20.12.2022
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In der Eurozone ist die Inflation seit Monaten hoch. Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, den Preissteigerungen mit höheren Zinsen entgegenzuwirken. Die Aussicht auf Erfolg ist aber begrenzt, denn die Inflationsraten werden von Faktoren bestimmt, auf die die Zinspolitik wenig Einfluss hat.

Es ist nur eine einzelne Zahl. Doch hinter der Inflationsrate steckt viel mehr: Ein fiktiver Warenkorb mit 650 Güterarten dient Experten für die Berechnung der allgemeinen Preisentwicklung. Und um genauere Aussagen über die Ursachen von Inflation treffen zu können, muss man die Kategorien des Warenkorbs nochmals unterteilen.

Eine Möglichkeit ist, zwischen angebotsbestimmten und nachfragebestimmten Bestandteilen zu unterscheiden. Ein Beispiel: Die Nachfrage der meisten Haushalte nach Nahrung und Getränken ist relativ stabil. Höhere Weltmarktpreise oder gestiegene Herstellungskosten können diese Preise nach oben treiben. Die Inflation wird hier also von der Angebotsseite bestimmt. Anders verhält es sich etwa bei Wohnungsmieten und -käufen. Das Angebot an Wohnungen ist vergleichsweise konstant. Eine steigende Nachfrage führt zu höheren Preisen, die Inflation wird somit von der Nachfrageseite getrieben.

Für Deutschland lässt sich anhand dieser Einteilung ein klares Bild erkennen (Grafik):

Die Inflation von angebotsbestimmten Gütern lag im August 2022 bei 11,5 Prozent. Bei den nachfragebestimmten Gütern betrug sie nur 3,2 Prozent.

Deutschland hat derzeit also eine „importierte“ Inflation. Das hat auch Implikationen für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Diese versucht mithilfe höherer Zinsen und einer damit verbundenen restriktiven Geldpolitik, dem Preisanstieg in der Eurozone entgegenzuwirken.

Da die Inflation aber größtenteils auf die Angebotsseite zurückzuführen ist, vor allem auf hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie unterbrochene Lieferketten, ist der Einfluss der EZB auf die allgemeine Preissteigerung gering. Denn Zinsen wirken sich vor allem – und mit Verzögerung von einigen Monaten – auf die Nachfrage aus.

Die Geldpolitik der EZB kann zwar indirekt einen Effekt auf die Preise handelbarer Güter und damit auf die Angebotsseite haben: Ein höherer Leitzins führt in der Regel zur Aufwertung einer Währung und verbilligt so Importe. Da das Zinsniveau des Euroraums immer noch weit unter denen anderer Volkswirtschaften wie den USA liegt, kommt dieser Effekt allerdings nicht zum Tragen.

Wichtig ist die restriktive Geldpolitik der EZB dennoch. Sie kann den Glauben an eine sinkende Inflationsrate stärken und so helfen, eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de