420 Milliarden Euro Wertschöpfungsverlust
Staat und Wirtschaftspolitik
Sekundarstufe I + II
Wenn es weder Pandemie noch einen Ukraine-Krieg geben würde, wäre die Wirtschaftsleistung in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 um mehrere Hundert Milliarden Euro höher ausgefallen. Das größte Minus gab es im privaten Konsum: Im Schnitt hat jeder Bundesbürger aufgrund der Krisen in den zurückliegenden drei Jahren rund 5.000 Euro weniger ausgegeben.
Was wäre, wenn? Wenn keine Pandemie die Welt aus den Fugen gebracht hätte? Und Putin keinen Angriffskrieg in der Ukraine gestartet hätte? Wenn es also keine Lockdowns, keine geschlossenen Grenzen, keine Lieferkettenprobleme und keine Energieverknappung gegeben hätte?
Ohne diese krisenhafte Ereignisse sähen die Welt und die Wirtschaft anders aus. Zu welchen Wertschöpfungsverlusten die Krisen der vergangenen drei Jahre in Deutschland geführt haben, hat nun das Institut der deutschen Wirtschaft berechnet. Dafür wurde der tatsächlichen Entwicklung ein kontrafaktischer Konjunkturverlauf gegenübergestellt, der auf der IW-Konjunkturprognose vom Dezember 2019 aufbaut, die damals erwartete wirtschaftliche Entwicklung für 2020 unterstellt und für 2021 und 2022 fortschreibt. Das Ergebnis (Grafik):
Von 2020 bis 2022 ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs um rund 420 Milliarden Euro geringer ausgefallen, als es ohne diese Ereignisse wahrscheinlich der Fall gewesen wäre.
Zum Vergleich: Die gesamten Wertschöpfungsverluste während der globalen Finanzkrise von Mitte 2008 bis Anfang 2011 summierten sich in Deutschland auf 500 Milliarden Euro.
Wie setzt sich das Minus von 420 Milliarden Euro zusammen? Den größten Einbruch gab es im ersten Jahr der Corona-Pandemie: 2020 belief sich der Wertschöpfungsverlust auf rund 175 Milliarden Euro – allein 100 Milliarden Euro resultierten aus dem starken Wirtschaftseinbruch im zweiten Quartal, als der erste Lockdown in Deutschland und in vielen anderen Staaten verhängt wurde.
Im zweiten Corona-Jahr 2021 kam es vor allem im ersten Quartal zu deutlichen Wirtschaftsausfällen, wobei im Jahresverlauf aufgrund der weltweit gestörten Lieferketten zusätzliche Produktionsprobleme auftraten, die in erster Linie die Industriebetriebe trafen. Die krisenbedingten BIP-Einbußen betrugen 2021 somit etwa 125 Milliarden Euro.
Das Jahr 2022 ist geprägt von massiven Preissteigerungen
Das dritte Corona-Jahr startete dagegen recht dynamisch: Das erste Quartal 2022 war zunächst von einer Phase der wirtschaftlichen Belebung gekennzeichnet, die allerdings abrupt mit der russischen Invasion in der Ukraine endete. Hinzu kommen weiterhin pandemiebedingte Störungen der globalen Lieferketten sowie Kaufkraftverluste infolge gestiegener Preise. Die Kosten aufgrund von Krieg und Pandemie beziffert das IW für das gesamte laufende Jahr auf etwa 120 Milliarden Euro.
Über alle drei Krisenjahre hinweg dominieren die Ausfälle im privaten Konsum: Aufgrund eingeschränkter Einkaufsmöglichkeiten während der Lockdowns sowie der seit Mitte 2021 steigenden Inflation, die die Kaufkraft der privaten Haushalte schwächt, ergeben sich in der Summe Konsumeinbußen von rund 400 Milliarden Euro – das entspricht rund 5.000 Euro je Einwohner.
Dem wirkten zwar stark gestiegene Staatsausgaben wie diverse Konjunkturpakete entgegen. Und auch der expandierende Außenhandel im zweiten Corona-Jahr milderte die wirtschaftlichen Einbußen etwas ab. Dennoch hielten sich die hiesigen Unternehmen in den vergangenen drei Jahren mit Investitionen stark zurück – sie gaben etwa 125 Milliarden Euro weniger für neue Maschinen und Forschung und Entwicklung aus, als sie dies in normalen Zeiten getan hätten.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de