Binnenschifffahrt wichtiger als vermutet

Staat und Wirtschaftspolitik

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
25.09.2023
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Auf den ersten Blick spielt die Binnenschifffahrt im deutschen Transportsektor nur eine untergeordnete Rolle. Diese Fehleinschätzung hat dazu geführt, dass die Politik die Wasserstraßen vernachlässigt hat – dabei gibt es teilweise keine Alternative zum Binnenschiff.

Die Daten zur Transportleistung in Deutschland klingen eindeutig: Über 72 Prozent der sogenannten Tonnenkilometer wurden im Jahr 2021 auf der Straße – also vor allem per Lkw – zurückgelegt und 18,6 Prozent mit der Bahn. Die Binnenschifffahrt kam derweil auf einen Anteil von lediglich knapp 7 Prozent.

Da überrascht es nicht, dass Deutschlands Flüsse und Kanäle bei politischen Investitionsentscheidungen in der Vergangenheit oft das Nachsehen hatten (Grafik):

Gut 54 Prozent des Bruttoanlagevermögens in Form von Binnenhäfen und Schleusen stammen aus Investitionen von vor 1991. Bei den Bundesfernstraßen gilt das für lediglich 40 Prozent. Im Schienennetz trifft dies nur auf 29 Prozent des Bruttoanlagevermögens zu.

Dabei ist vor allem der Rhein ein enorm wichtiger Transportweg, gerade für die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens. Auf das Rheingebiet entfielen zuletzt fast zwei Drittel der innerdeutschen Binnenschifffahrt. Zentral ist der Rhein insbesondere für den sogenannten Seehafenhinterlandverkehr zwischen Rotterdam und Duisburg.

Hinter diesem sperrigen Wort verbirgt sich die Tatsache, dass die Fracht der riesigen Containerschiffe, die an den Seehäfen vor Anker gehen, ins Binnenland weitertransportiert werden muss. Ein Hochseeschiff kann locker 10.000 Standardcontainer transportieren, häufig sogar deutlich mehr. Allein schon für 10.000 solcher Container bräuchte es bereits 5.000 Lkws, um die Fracht an Land weiterzuverteilen.

Die Alternative wären 96 Güterzüge mit je 35 Waggons – oder aber 30 Binnenschiffe. Die Schiene kann die Binnenschiffe allerdings kaum ersetzen, denn die Bahnstrecken entlang des Rheins sind überlastet – und/oder marode.

Die Binnenschifffahrt hätte indes noch Kapazitäten. Allerdings nur, wenn der Staat mehr Geld in die Wasserstraßeninfrastruktur investiert. Dazu gehören auch Vorkehrungen, die den Wasserstand im Rhein so stabilisieren, dass er trotz Klimawandel möglichst ganzjährig schiffbar bleibt. Binnenschiffe sind zudem eine ökologisch sinnvolle Alternative für große Güterströme, da sie sehr geringe CO2-Emissionen pro transportierter Tonne verursachen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de