Deutsche Wälder: Schwieriger Interessenkonflikt

Staat und Wirtschaftspolitik

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
24.08.2021
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Der Klimawandel setzt den Wäldern weltweit zu. Wie das Ökosystem Wald am besten geschützt werden kann, darüber streiten die Experten. Eines ist allerdings klar: Während die positiven Effekte der Wälder unbestritten sind, scheint es unmöglich, die Interessen aller Waldnutzer in Einklang zu bringen – um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, genügt bereits der Blick auf Deutschland.

Ob der Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen oder ein Stückchen Wald in Grünheide bei Berlin: Wenn in Deutschland Wälder gerodet werden, weil dort Kohle abgebaut oder eine Fabrik entstehen soll, ist der Bevölkerungsprotest programmiert.

Tatsächlich sind die Interessen rund um das Thema Wald besonders vielschichtig. Und so gesehen ist es kein Wunder, wie schwer es fällt, sie unter einen Hut zu bringen.

Das fängt auf der einen Seite bei jenen an, die den Wald als Naherholungsgebiet nutzen. Ihnen stehen auf der anderen Seite die Forstwirte gegenüber, die vom Holz leben. Die einen sehnen sich nach unberührter Natur, die anderen profitieren von guten Wegen für ihre Nutzfahrzeuge.

Etwa 1,8 Millionen Personen in Deutschland sind aktuell Eigentümer von Privatwald.

Wenig Wald im Norden

Im Durchschnitt besitzt jeder von ihnen laut Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzverbände (AGDW) etwa 2,7 Hektar Land, was knapp vier Fußballfeldern entspricht. Etwas weniger als die Hälfte des Waldes in Deutschland ist in Privatbesitz, der Rest gehört dem Staat oder einer Körperschaft. Die Wälder – mit 106.600 Quadratkilometern bedecken sie fast 30 Prozent Deutschlands – sind allerdings nicht gleichmäßig verteilt (Grafik):

Mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent ist Rheinland-Pfalz das waldreichste Bundesland – vor Hessen, Baden-Württemberg und Bayern.

Am Ende des Rankings finden sich neben den drei Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin auch die weiteren Bundesländer im Norden Deutschlands.

Doch egal, über wie viel Wald eine Region verfügt, der Zustand der Bäume ist überall vergleichbar:

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt rund 80,4 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen – ein Rekord. Drei Viertel davon waren allerdings sogenanntes Schadholz.

Vor allem Insektenbefall plagt die heimischen Bäume, ebenso die zunehmende Trockenheit, die wiederum den Befall begünstigt.

Der deutsche Wald leidet also unter dem Klimawandel, gleichzeitig ist er jedoch Teil der Lösung im Kampf gegen die Erderwärmung, wie es die AGDW ausdrückt. Denn der Wald trägt auf verschiedenen Ebenen zum Klimaschutz bei und reduziert Klimafolgen – weil er Kohlendioxid bindet, als Luft- und Wasserfilter fungiert und vor Erosion und Hochwasser schützt.

Gleichzeitig dient der Wald der menschlichen Erholung und hat eine erhebliche ökonomische Bedeutung:

Je Hektar bewirtschaftetem Wald liegt der Umsatz bei rund 16.000 Euro pro Jahr, zehn Hektar finanzieren einen Arbeitsplatz.

Das „Cluster Holz und Forst“ – dazu zählen auch das Verlags- und Druckgewerbe sowie Holz für die Bauwirtschaft – kam 2017 deutschlandweit auf einen Umsatz von fast 184 Milliarden Euro bei rund 1,1 Millionen Mitarbeitern. Die Forstwirtschaft selbst steuerte dazu allerdings nur 9 Prozent der Beschäftigten und 3 Prozent des Umsatzes bei.

Höhere Holzpreise kommen nicht bei Waldbesitzern an

In jüngster Zeit haben die Preise für Holz – vor allem im Bau – deutlich angezogen. Das liegt unter anderem daran, dass die USA und China 2020 die Weltmärkte leer kauften: Gut die Hälfte der aus Deutschland ausgeführten Kubikmeter Holz ging 2020 nach China.

Mengenmäßig wurden 2020 fast 43 Prozent mehr Holz aus Deutschland exportiert als ein Jahr zuvor. Anfang 2021 setzte sich dieser Trend allerdings nicht fort.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzverbände weist zudem darauf hin, dass ihre Mitglieder vom Holzboom bislang kaum profitieren. Zahlen des Statistischen Bundesamts untermauern diesen Befund (Grafik):

In den vergangenen Jahren sind die Preise für Rohholz fast immer gesunken – teils sogar erheblich.

Stattdessen konnten Säge-, Hobel- und Holzimprägnierwerke die Marktlage nutzen und ihren Umsatz steigern.

Da überrascht es nicht, dass die Waldbesitzer ihren Beitrag zum Klimaschutz anders honoriert sehen wollen, zumal der Klimawandel Veränderungen in der Forstwirtschaft unumgänglich macht.

Verschiedene Rezepte gegen den Klimawandel

Wie genau diese Veränderungen aussehen sollen, ist allerdings umstritten: Die einen experimentieren mittlerweile mit neuen Baumarten, die auch unter den veränderten Witterungsbedingungen – vor allem mehr Hitze, größerer Trockenheit und häufigerem Starkregen – gedeihen.

Andere plädieren dafür, den Wald sich selbst zu überlassen, also ihn vorerst nicht zu bewirtschaften, um so herauszufinden, welche heimischen Pflanzen und Tiere sich unter den neuen klimatischen Gegebenheiten durchsetzen. Sie verweisen außerdem darauf, dass ein Wald, der nicht wie eine Plantage etwa mit Fichten-Monokulturen zur Holzproduktion optimiert ist, besonders gut zum Klimaschutz taugt.

Solch ein Sich-selbst-Überlassen des Waldes wäre allerdings kaum mit den ökonomischen Interessen der Forstwirtschaft zu vereinbaren. Um dies zu kompensieren, könnten Agrar-Fördertöpfe der Europäischen Union angezapft werden.

Dieser Text erschien zuerst auf iwd.de.