Windkraft: Ausbau kommt nicht voran
Staat und Wirtschaftspolitik
Sekundarstufe I + II
Um den stockenden Ausbau der Windkraft wieder anzuschieben und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu stärken, schlägt die Bundesregierung einen Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Anlagen und Wohngebäuden vor. Umfragen zeigen jedoch, dass sich die meisten Bundesbürger von der Windkraft nicht gestört fühlen. Zudem löst der Vorschlag nicht die Probleme mit den Genehmigungsverfahren – und schränkt die Erneuerung von bestehenden Anlagen stark ein.
Die deutsche Energiewende stockt: In den ersten drei Quartalen 2019 sind an Land lediglich 514 Megawatt durch neue Windenergieanlagen hinzugekommen – nach fast 5.500 Megawatt im Jahr 2017. Zudem lag der Wert deutlich unter dem von der Bundesnetzagentur ausgeschriebenen Zubau von 2.800 Megawatt pro Jahr.
Damit gerät das Ziel der Bundesregierung in Gefahr, den Strombedarf in Deutschland bis 2030 zu 65 Prozent durch erneuerbare Energien zu decken. Eine zentrale Ursache für den stockenden Ausbau sind fehlende Genehmigungen:
In den vergangenen drei Jahren ist die durchschnittliche Zahl der Genehmigungen im Vergleich zu den Jahren 2014 bis 2016 um rund drei Viertel zurückgegangen.
Zudem dauern Genehmigungsverfahren deutlich länger, weil mittlerweile fast zwei Fünftel der genehmigten Anlagenleistung von Klagen betroffen sind. Rund ein Drittel davon betrifft Anlagen, die bereits in Betrieb genommen wurden – und die für die Dauer des Rechtsstreits nicht weiterbetrieben werden dürfen.
Die Bundesregierung will die Klagewelle eindämmen, indem sie einen Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Anlagen und Wohngebäuden ins Spiel bringt. Das aber würde das verbleibende Windkraftpotenzial in etwa halbieren – und hieße zudem, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Denn mehr als 90 Prozent der Bundesbürger befürworten den Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Energiewende voranzubringen.
Und mit den Windrädern haben die meisten auch keine Probleme (Grafik):
Rund 80 Prozent der Bundesbürger fühlen sich durch Windkraftanlagen in ihrer Umgebung weder gestört noch belästigt.
Ganz abgesehen davon löst ein Mindestabstand auch nicht das grundlegende Problem der Klagewelle: Vor Gericht ziehen nämlich weniger die oft zitierten Bürgerinitiativen – sie führen nur ein Siebtel aller Klagen –, sondern vor allem die Umweltschutzverbände. Sie sind für 70 Prozent aller Gerichtsverfahren verantwortlich, meist geht es dabei um den Artenschutz.
Ein Mindestabstand von 1.000 Metern gefährdet zudem die Erneuerung von bestehenden Anlagen. Bei diesem sogenannten Repowering geht es darum, durch den in der Regel vollständigen Ersatz bestehender Anlagen eine deutliche Leistungssteigerung zu erzielen (Grafik):
Die Nennleistung von Windkraftanlagen hat sich dank moderner Anlagentechnik in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht.
Diese Kapazitätssteigerungen können zu einem deutlichen Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien führen und bieten Betreibern älterer Anlagen die Möglichkeit, sich nach Auslauf der 20-jährigen Förderung erneut für eine feste Vergütung im Rahmen des EEG zu qualifizieren.
Neue Förderbedingungen gefährden Modernisierung
Denn erstens erfüllen diese Standorte schon die notwendigen Voraussetzungen, zum Beispiel ein hohes Windaufkommen, und könnten durch das Repowering zu modernen und effektiveren Standorten ausgebaut werden. Zweitens zeigen Befragungen, dass in Regionen mit bestehenden Windkraftanlagen bereits eine hohe Akzeptanz der Anwohner herrscht. Und drittens sind moderne Windräder geräuschärmer. Zusätzlich wird beim Repowering in der Regel die Anzahl der Anlagen reduziert. Allerdings gibt es beim Repowering auch Hürden:
Bis 2014 sah das EEG noch finanzielle Anreize in Form eines Sonderzuschlags auf die Einspeisevergütung für das Repowering vor – heute gibt es diese Förderung nicht mehr.
Zwar will die Bundesregierung laut aktuellem Klimakonzept das Repowering durchaus unterstützen, die geplanten Mindestabstände von 1.000 Metern zwischen Anlage und Wohngebäude stellen aber ein zusätzliches Hindernis dar. Diese Einschränkung wird viele Betreiber älterer Windräder von einer Modernisierung abhalten, sodass an diesen nachgewiesenermaßen guten Standorten nur noch ein Weiterbetrieb mit alten, sprich ineffektiven Anlagen möglich ist. Das Ausmaß dieser Einschränkung ist beachtlich:
Dem Umweltbundesamt zufolge verringert die Einführung eines Mindestabstands von 1.000 Metern das Repowering-Potenzial auf nur noch 20 bis 35 Prozent der bestehenden Windkraftanlagen.
Bereits heute ist das Planungsrecht das größte Hindernis bei der Umsetzung von Repowering-Maßnahmen – oftmals begründet mit unzureichenden Abständen zu Wohngebäuden.
Für eine erfolgreiche Energiewende ist die pauschale Abstandsregelung deshalb der falsche Weg. Gefragt sind stattdessen eine frühzeitige Einbindung der Bürger bei den Neubauplänen sowie eine finanzielle Beteiligung – beides würde die Akzeptanz verbessern. Schlanke und standardisierte Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren würden weitere Rechtsunsicherheiten und unnötige Verzögerungen bei der Realisierung neuer Projekte verhindern.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de