Alles Bio, alles super?

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
15.01.2020
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Wer nur Biolebensmittel kauft, lebt gesünder und schützt die Umwelt - soweit die Theorie. In der Praxis haben Bioprodukte mit diesem Ideal oft nicht viel zu tun. Das liegt unter anderem daran, dass es keine einheitlichen Richtlinien gibt.

Bei „Bio“ denkt der eine oder andere sicher an Kleinbauern, die mit ein paar Tieren und im Einklang mit der Natur ihre Erträge erwirtschaften. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Heute ist „Bio” ein Milliardengeschäft. Biobauern haben mittlerweile teilweise ähnlich riesige und industriell betriebene Höfe wie konventionelle Landwirte.

2018 machten Bioprodukte zwar nur 5,3 Prozent des Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus, absolut sind das aber bereits 10,9 Milliarden Euro. Produkte mit einem Biosiegel sind oftmals teurer, da die Erzeugung aufgrund diverser Auflagen aufwändiger ist – so zumindest die Theorie. Denn die Anforderungen sind je nach Siegel nicht allzu hoch. Zum Teil genügt ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Gentechnik, um den Bio-Stempel tragen zu dürfen. Umweltfreundlich und nachhaltig hergestellt sind die Produkte damit nicht unbedingt.

Kein einheitliches Siegel

Die fehlende Klarheit beim Thema Bio hat ihren Ursprung in den 1970er Jahren. Die Biopioniere betrieben umweltfreundliche Landwirtschaft aus Überzeugung, Profit war zweitrangig. Den Begriff Bio ließen sie sich nicht schützen, wodurch jeder ihn ohne die Einhaltung gewisser Standards nutzen konnte.

Die Europäische Union legte 1991 diese Standards fest, die Bioprodukte erfüllen mussten. Ein offizielles Kennzeichen gab es europaweit aber zunächst nicht. In Deutschland übernahm das sechseckige Biosiegel im Jahr 2001 diese Aufgabe. Andere Mitgliedsstaaten handhabten es ähnlich.

2010 zog die EU mit einem einheitlichen Siegel nach – es ist mittlerweile verpflichtend für alle Bioprodukte. Oft steht es neben dem deutschen Siegel, das zwar nun überflüssig geworden ist, aber aufgrund der großen Bekanntheit bei den Kunden weiter genutzt wird. Um das EU-Siegel zu erhalten, müssen Landwirte auf chemische Pflanzenschutzmittel, Gentechnik, übermäßigen Antibiotikaeinsatz und viele Zusatzstoffe in der Produktion verzichten. Auch Massentierhaltung ist verboten.

Manche Siegel mit strengeren Auflagen

Doch die Überprüfung der Standards lässt zu wünschen übrig. Immer wieder dokumentieren Tierschutzaktivisten auf angeblichen Biohöfen schwere Verstöße gegen die EU-Vorschriften. Die Vorgaben der EU gehen vielen Anbauverbänden zudem nicht weit genug. So vergeben Demeter und Naturland schon länger ihre eigenen Siegel. Dabei dürfen Landwirte zum Beispiel nur halb so viele Hühner auf einer Fläche halten wie es die EU vorschreibt.

Für manche Siegel spielt neben der artgerechten Haltung von Tieren oder der natürlichen Bewirtschaftung der Ackerbauflächen auch Rahmenfaktoren eine Rolle. Überprüft wird zum Beispiel, ob auch die Produktverpackung umweltfreundlich oder der Weg vom Betrieb zum Schlachthof möglichst kurz ist. Auch Supermarktketten vergeben eigene Siegel, müssen sich dabei aber nicht an die EU-Standards halten. Sie setzen die Kriterien selbst fest.

Lange Transportwege

Aspekte, die in Bezug auf Bio-Lebensmittel häufig kaum Berücksichtigung finden, sind der Produktionsaufwand und die Transportkosten. So sind Obst und Gemüse aus Andalusien in der Regel als Bio gekennzeichnet. In der sehr warmen und trockenen Region Spaniens benötigt man aber sehr viel Energie, um Gewächshäuser entsprechend zu kühlen und die Pflanzen zu bewässern. Der Transport nach Deutschland verbraucht zusätzlich Ressourcen. Ein ehrliches Biosiegel müsste nach Meinung vieler Experten diese Aspekte einbeziehen, würde aber einen enormen Aufwand bei der Berechnung des ökologischen Fußabdrucks mit sich bringen.

Sind Bio-Siegel also unterm Strich wertlos? Ganz so schlimm ist es nicht. Umweltschützer bestätigen, dass die EU-Vorgaben für Bioprodukte wichtig sind und den Missbrauch des Begriffs eindämmen. Und Bioprodukte sind trotz diverser Problemfelder meist umweltfreundlicher als konventionell hergestellte Lebensmittel.

Einen Überblick über die verschiedenen Siegel bietet die Bundesregierung unter siegelklarheit.de