Die wirtschaftsstärksten Städte Deutschlands

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe II

Hintergrundtext
19.04.2023
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Das höchste Bruttoinlandsprodukt je Einwohner erzielen in Deutschland nicht etwa Millionenstädte wie Berlin oder Hamburg, sondern zum Teil deutlich kleinere Wirtschaftszentren, wie eine IW-Auswertung zeigt. Ihr Erfolg ist oft auf die Stärke bestimmter Branchen zurückzuführen – manchmal sogar auf ein einziges großes Unternehmen.

Welche Stadt die schönste in Deutschland ist, darüber lässt sich trefflich streiten – schließlich sind Geschmäcker verschieden. Was dagegen messbar ist, ist die wirtschaftliche Stärke der Städte. Als Indikator dafür dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner. Der deutsche Spitzenreiter hierbei kommt aus Niedersachsen (Grafik):

Wolfsburg erreichte im Jahr 2020 – neuere Zahlen liegen nicht vor – mit einer Wirtschaftsleistung je Einwohner von fast 166.800 Euro bundesweit den höchsten Wert aller Städte.

Auf Rang zwei lag Ingolstadt mit rund 122.400 Euro. Die beiden Städte profitieren wie keine anderen vom Erfolg einzelner Unternehmen. Beide maßgeblichen Firmen gehören zur Automobilindustrie: Wolfsburg ist Sitz des Stammwerks von Volkswagen, in Ingolstadt ist die VW-Tochter Audi zu Hause.

Die Zahlen aus 2020 zeigen im Vergleich mit den Vorjahren den negativen Effekt, den die Coronapandemie auf die deutsche Wirtschaft hatte. Wieder steht die Autoindustrie im Fokus, kaum eine andere Industriebranche litt kurzfristig so stark unter den Auswirkungen der Pandemie. Denn durch die Lockdowns in wichtigen Lieferländern wie China sowie durch Grenzschließungen in Europa kamen die Lieferketten weitgehend zum Stillstand, sodass die Unternehmen nicht mehr produzieren konnten. Gleichzeitig sank die Nachfrage nach neuen Autos. Die Folge:

In den wirtschaftsstarken Städten, die ihre gute Position im Wesentlichen einem ansässigen Autohersteller verdanken, brach das BIP pro Kopf am stärksten ein.

In Wolfsburg sank es im Vergleich zu 2019 um rund 15 Prozent, in Ingolstadt um 11 und in Stuttgart, Heimat von Mercedes-Benz und Porsche, um gut 7 Prozent.

Die einzige Stadt aus der Spitzengruppe, deren Wirtschaftsleistung im ersten Pandemiejahr nicht zurückging, war das drittplatzierte Erlangen. Für einen großen Teil der Wertschöpfung sorgen dort Siemens und dessen Medizintechniktochter Siemens Healthineers – zwei Unternehmen, die im Gegensatz zur Automobilbranche wenig von der Coronakrise betroffen waren.

Neben Ingolstadt und Erlangen finden sich in den Top Ten drei weitere bayerische Städte. Coburg und Schweinfurt auf den Rängen vier und fünf erzielen ihre Wirtschaftsleistung hauptsächlich durch den Maschinenbau und die stark vertretene Autozuliefererbranche. Regensburg auf Platz sieben ist ein wichtiger Sitz der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie und profitiert von vielen Einpendlern – also Arbeitnehmern, die nicht in der Stadt wohnen, aber dort arbeiten und die Wirtschaftsleistung nach oben treiben. Entsprechend steigt das Regensburger Pro-Kopf-BIP.

Die bayerische Landeshauptstadt München, Hauptsitz von BMW und Heimat einer vielfältigen, technologiestarken Wirtschaft, schrammt mit einem BIP je Einwohner von rund 80.800 Euro knapp an einem Platz unter den besten zehn vorbei. Wie gut der Großraum München insgesamt wirtschaftlich aufgestellt ist, verdeutlicht eine andere Zahl:

Wenn er eine Stadt wäre, käme der Landkreis München mit einem BIP pro Kopf von fast 112.200 Euro im Ranking an dritter Stelle.

Kein anderer deutscher Landkreis erreicht diesen Wert auch nur annähernd – im Gegensatz zu den Speckgürteln anderer Großstädte, die überwiegend aus Wohngebieten bestehen, ist das Münchner Umland sehr wirtschaftsstark.

Was außerdem auffällt:

Keine der vier deutschen Millionenmetropolen zählt zu den zehn wirtschaftsstärksten Städten.

Mit Frankfurt am Main und Düsseldorf – beide Städte verdanken ihre wirtschaftliche Kraft vor allem Finanzdienstleistern – sowie Stuttgart finden sich zudem nur drei Städte ab 500.000 Einwohnern darunter. Der Hauptgrund dafür: Das BIP ist in den Großstädten zwar meist recht hoch, verteilt sich aber auf zu viele Köpfe, um mit den kleineren Spitzenreitern mithalten zu können.

Wer Berlin sucht, muss so auf der Liste weit nach unten blicken. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen die Hauptstadt einen großen positiven Effekt auf das allgemeine Bruttoinlandsprodukt hat, zeigt sich die deutsche Metropole nicht besonders wirtschaftsstark (siehe "Der Wohlstandseffekt der Hauptstadt"). Mit 42.145 Euro je Einwohner liegt Berlin nur knapp über dem Bundesdurchschnitt. Bis zum Jahr 2017 hätte Deutschland ohne seine Hauptstadt sogar ein höheres BIP pro Kopf ausweisen können. In den vergangenen Jahren entwickelte sich die Berliner Wirtschaft aber dynamisch.

Wirtschaftsleistung pro Kopf im Osten und im Ruhrgebiet geringer

Insgesamt zeigt das Ranking zudem ein deutliches West-Ost-Gefälle. Rechnet man die Wirtschaftskraft der Städte auf die jeweiligen Bundesländer hoch, belegen die fünf ostdeutschen die hinteren Ränge. Die wirtschaftsstärkste Stadt im Osten ist Jena, die mit einem Pro-Kopf-BIP von rund 45.000 Euro im Gesamtranking auf Platz 53 liegt.

Am unteren Ende dagegen zieht der Westen im innerdeutschen Vergleich den Kürzeren. Das liegt in erster Linie am Ruhrgebiet: Unter den zehn wirtschaftsschwächsten deutschen Städten finden sich gleich fünf aus dieser Region. Das deutschlandweite Schlusslicht ist Bottrop mit einem BIP je Einwohner von weniger als 23.500 Euro.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de