Wie patent sind Deutschlands Unis?

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
28.06.2023
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Deutschland braucht Innovationen, um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts zu sichern. Neben Unternehmen beheimaten auch die Hochschulen viele Erfinderinnen und Erfinder. Sie sorgen mit ihren Ideen dafür, dass neue Produkte und Geschäftsmodelle entstehen. Besonders hervor tun sich dabei die Technischen Universitäten.

Vom Früherkennungstest für Brustkrebs über den biologisch abbaubaren Akku bis zum innovativen Wurstherstellungsverfahren – die deutschen Hochschulen und Universitäten haben in den vergangenen Jahren vielfältige Erfindungen hervorgebracht.

Zwischen 2010 und 2019 – aktuellere Daten gibt es aufgrund der 18-monatigen Offenlegungsfrist von Patentanmeldungen nicht – waren 178 deutsche Hochschulen und weitere 102 angegliederte Einrichtungen an mindestens einer Patentanmeldung beteiligt.

Das geht aus einer Auswertung der Patentdatenbank des Instituts der deutschen Wirtschaft hervor, die alle Patentanmeldungen mit Schutzwirkung für Deutschland betrachtet – ob das Patent nun beim Deutschen Patent und Markenamt, beim Europäischen Patentamt oder der Weltorganisation für geistiges Eigentum angemeldet wurde.

Die Auswertung zeigt auch, welche Hochschule in puncto Patente die Überfliegerin ist (Grafik):

Mit 685 Patentanmeldungen im Zeitraum von 2010 bis 2019 liegt die Technische Universität (TU) Dresden an der Spitze der 15 patentaktivsten Hochschulen Deutschlands.

Die sächsische TU hat demnach fast alle fünf Tage ein neues Patent angemeldet.

Dahinter folgen mit einigem Abstand das Karlsruher Institut für Technologie – das bestehend aus der Karlsruher Uni und dem Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft als TU gilt – und die Technische Universität München. Letztere liegt mit 384 Patentanmeldungen im untersuchten Zeitraum knapp vor der renommierten Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen – kurz RWTH Aachen –, die es somit gerade nicht auf einen Podiumsplatz schafft.

Es fällt auf, dass ausschließlich Mitglieder der TU9, dem Zusammenschluss führender Technischer Universitäten und Hochschulen – hierzu zählt auch die Stuttgarter Uni –, die vorderen sechs Plätze des Rankings belegen. Insgesamt gehen acht der 15 Spitzenplätze an die TU9.

Private Hochschulen finden sich nicht unter den Top 15. Kein Wunder, waren im untersuchten Zeitraum doch 173 der 178 patentaktiven deutschen Hochschulen in staatlicher und nur fünf in privater Trägerschaft. Der Anteil privater Hochschulen an allen Patentanmeldungen deutscher Hochschulen lag gar unter 1 Prozent.

Erfinderische Unis in Ostdeutschland

Geografisch betrachtet ist der Osten der Bundesrepublik sehr wichtig für neue Erfindungen:

Sechs der 15 deutschen Hochschulen, die im betrachteten Zeitraum am patentstärksten waren, liegen in Ostdeutschland.

Neben der TU Dresden brachten die Unis in Jena und Rostock sowie die TUs in Freiberg, Berlin und Ilmenau zahlreiche Erfindungen hervor. Zwar sind die meisten von ihnen in der unteren Hälfte der Top 15 zu finden, dafür sind diese Bildungsstätten besonders leistungsstark: Die ostdeutschen Hochschulen verzeichneten die meisten Patentanmeldungen je Mitarbeiter, forschten also effizienter als der Rest der Hochschulen.

Die Hochschule mit dem höchsten Frauenanteil unter ihren Erfindern von 2010 bis 2019 lag in Baden-Württemberg: Mit rund 16 Prozent ging etwa jede sechste Patentanmeldung der Universität Heidelberg auf Frauen zurück. Das Schlusslicht bildet Hannover mit einem Anteil weiblicher Erfinder von nicht einmal 6 Prozent.

Insgesamt kamen im deutschen Hochschulbereich im Zeitraum von 2010 bis 2019 knapp 11 Prozent der Patentanmeldungen von Frauen.

Was sich zunächst nach wenig anhört, ist im Vergleich zum Frauenanteil an allen Patentanmeldungen in Deutschland von 5,6 Prozent im Jahr 2019 durchaus erfreulich.

Ein anderer Wert, der einer Einordnung bedarf, ist der Beitrag der Hochschulen zu allen Patentanmeldungen in Deutschland. Im Durchschnitt lag dieser zwischen 2010 und 2019 bei 2 Prozent. Dieser vermeintlich niedrige Anteil ist vor dem Hintergrund, dass die Produktion von Patenten nicht die Hauptaufgabe von Hochschulen ist, ein solides Ergebnis.

Große Anstrengungen bei Biotech

Im Deeptech-Bereich – der Forschung an komplexen und innovativen Technologien – war der Hochschulanteil im vergangenen Jahrzehnt sogar zweistellig (Grafik):

Hinter jedem sechsten Patent, das hierzulande von 2010 bis 2019 im Bereich Biotechnologie angemeldet wurde, stand eine Hochschule.

Auch in der Graphenforschung ging mit gut 8 Prozent ein erheblicher Anteil der Patentanmeldungen auf Hochschulen zurück. Mit Graphen sind hier keine Zeichnungen gemeint, sondern das Material Graphen, was durch seine besonderen Eigenschaften – transparent, biegsam und stabil zugleich – als möglicher Werkstoff der Zukunft gilt.

Was Innovationen im Bereich des 3-D-Drucks, des Quantencomputings oder des Machine Learnings – einem Teilgebiet der künstlichen Intelligenz (KI) – angeht, war der Hochschulanteil mit 3 bis 4 Prozent zuletzt noch relativ gering. Das liegt zum Großteil daran, dass jene erst seit Kurzem zu diesen Themen forschen. Experten rechnen damit, dass der Beitrag deutscher Hochschulen zu Patentanmeldungen in den Feldern KI, Quantencomputing und Co. in nächster Zeit steigt. Allein Bayern möchte in den kommenden drei Jahren 50 neue Professuren im KI-Bereich schaffen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de