Kleine Delle im Umsatz bei Biolebensmitteln

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
18.04.2023
152Downloads

Erstmals seit vielen Jahren muss die erfolgsverwöhnte Biobranche in Deutschland Umsatzrückgänge verzeichnen. Wegen der hohen Inflation greifen viele Verbraucher zu günstigeren Biohandelsmarken oder gar zu konventionellen Waren.

Die hohe Inflation trifft auch bislang erfolgsverwöhnte Branchen: Nachdem der Umsatz mit Biolebensmitteln und -getränken in Deutschland seit mehr als 20 Jahren gestiegen ist und 2021 die Rekordsumme von fast 16 Milliarden Euro erreicht hat, ist der Wachstumskurs nun zum ersten Mal unterbrochen (Grafik):

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland Biolebensmittel für 15,3 Milliarden Euro umgesetzt, das waren 3,5 Prozent weniger als 2021.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) führt das Minus in erster Linie darauf zurück, dass Verbraucher verstärkt zu günstigeren Waren innerhalb eines Sortiments greifen – also, dass die billigere Packung Bionudeln einer Handelsmarke im Einkaufkorb landet und nicht die teureren Bionudeln eines Markenherstellers. Doch der ein oder andere Biokonsument dürfte sich angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise auch schlicht für günstigere konventionelle Nahrungsmittel entschieden haben.

Die Preissensibilität der Verbraucher schlägt sich auch in der Wahl des Einkaufsorts nieder: Einzig der Lebensmitteleinzelhandel, zu dem auch die Discounter zählen, konnte seine Umsätze mit Biowaren im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr steigern. Das Plus betrug rund 3 Prozent. In den Naturkostfachgeschäften gingen die Umsätze um 12 Prozent zurück, in den übrigen Verkaufsstätten wie Reformhäusern, Biohofläden sowie den Biobäckereien und -metzgereien sogar um 18 Prozent.

Gewachsen ist dagegen die Zahl der Höfe. 2022 stellten 784 Betriebe in Deutschland auf Bio um, sodass zum Jahresende insgesamt 36.548 Biohöfe existierten. Damit produziert jeder siebte Hof in Deutschland ökologisch. Doch damit das von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir angestrebte Ziel erreicht wird – nämlich die Umstellung von 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche auf Öko bis zu Jahr 2030 – müssten noch deutlich mehr Bauern die Umstellung wagen. Denn aktuell werden nur rund 11 Prozent der Anbaufläche biologisch bewirtschaftet.

Preise für Biolebensmittel weniger stark gestiegen

Der BÖLW weist darauf hin, dass die Preise für Biolebensmittel in Deutschland im vergangenen Jahr weniger stark gestiegen sind als die Preise für konventionelle Waren. Laut Agrarmarkt Informationsgesellschaft haben sich alle Frischeprodukte in Bioqualität um 6,6 Prozent verteuert, bei den konventionellen Waren betrug die Preissteigerung rund 12 Prozent. Bei einzelnen Produkten hat sich der Preis zwischenzeitlich sogar fast angeglichen. So betrug der Preisabstand zwischen konventioneller Milch und Biomilch im August und September 2022 nur noch gut 2 Cent je Liter.

Von den 102.170 Lebensmitteln, die in Deutschland mit Biosiegel zu kaufen sind, boomten im Jahr 2022 erneut die Milch- und Fleischalternativen.

So wurden im vergangenen Jahr 4 Prozent mehr pflanzliche Biodrinks verkauft als 2021, Biofleischersatzprodukte legten ebenfalls um 4 Prozent zu. Da jedoch bei beiden Produkten zu günstigeren Waren gegriffen wurde, gaben die Verbraucher unterm Strich für das Mehr an Hafermilch und Sojawürsten genau so viel Geld aus wie im Vorjahr.

Der Biomarkt international

Dass beim heimischen Biomarkt generell noch Luft nach oben ist, zeigt ein Blick ins Ausland: In Dänemark beträgt der Bioanteil am Lebensmittelmarkt 13 Prozent, in Österreich sind es fast 12 Prozent, in Luxemburg 11 Prozent und in Schweden knapp 9 Prozent. In Deutschland liegt die Bioquote bei 7 Prozent.

In diesen vier EU-Staaten geben die Menschen auch deutlich mehr Geld für Biowaren aus als die Bundesbürger (Grafik):

Jeder Däne gab im Jahr 2021 im Schnitt 384 Euro für Lebensmittel in Bioqualität aus, in Luxemburg waren es 313 Euro.

Die Österreicher kauften durchschnittlich für 268 Euro Biolebensmittel und die Schweden für 266 Euro. In Deutschland, das auf Platz 5 landet, setzte die Biobranche 191 Euro je Einwohner um.

Insgesamt wurden in den 27 Mitgliedsstaaten der EU im Jahr 2021 Biolebensmittel für 46,7 Milliarden Euro verkauft. In den USA waren es 48,6 Milliarden Euro und in China 11,3 Milliarden Euro. Die Pro-Kopf-Umsätze für ökologische Lebensmittel waren in den Vereinigten Staaten mit 146 Euro rund 40 Euro höher als in der EU und wesentlich höher als in China, wo im Schnitt 8 Euro je Einwohner für Biowaren ausgegeben wurden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de