Individualisierung

Der Begriff der Individualisierung hat eine soziologische und eine ökonomische Dimension. Soziologisch wurde er bereits in den 80er Jahren von Ulrich Beck in die Debatte um den sozialen Wandel in der modernen Gesellschaft eingebracht. Beck versteht unter Individualisierung dreierlei:

  • Die Herauslösung des Einzelnen aus seinen traditionellen Klassen- und Versorgungsbezügen der Familie, die Auflösung kollektiver Erfahrungen in und mit der Arbeitswelt (wachsende Freiheitsmomente) und die Herausbildung sehr unterschiedlicher Familienorganisationen (Trend zum Single-Dasein).
  • Dieser Prozess wird begleitet von der Auflösung traditioneller Lebensformen, - normen und Handlungsorientierungen sowie von Sicherheiten.
  • Zugleich erfolgt eine neue Bindung und Abhängigkeit des Einzelnen an und von Großsystemen wie den Arbeitsmarktsystemen, den Bildungs- und Beschäftigungssystemen.

Die Individualisierungsthematik hat zugleich auch die klassische Frage nach den sozialen Integrationsleistungen einer modernen Gesellschaft neu entstehen lassen. Die Individualisierungsthese ist indes zu relativieren: Es zeigt sich nämlich, dass neue solidarische Verhaltensmuster entstehen und von einer Entsolidarisierung in den Familien und in der Gesellschaft nicht gesprochen werden kann.

Erkennbar ist sicher, dass der Einzelne für seine Biografie mehr und mehr selbst verantwortlich ist. Individualisierung bedeutet mehr unterschiedliche Lebensentwürfe. Dieser Prozess hat verschiedene Ursachen: steigende Einkommen und damit steigende Handlungsoptionen, Wertewandel und Bildungsexpansion sowie den technischen Fortschritt und den damit verbundenen strukturellen Wandel in der Arbeitswelt (Individualisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsformen, Entstandardisierung von Arbeitsverträgen, Entkopplung von Raum und Zeit).

Aus ökonomischer Sicht spricht man von Individualisierung als Markenzeichen und Wettbewerbsfaktor. Das maßgeschneiderte und individuelle Produkt und die individuelle Dienstleistung entsprechen der Ausdifferenzierung von Märkten und einer gestiegenen Kundenorientierung. Sie ermöglichen den Unterschied zum Konkurrenten und werden damit zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil. Mit Hilfe der modernen, interaktiven IuK-Techniken kann der Kunde bereits in den Planungsprozess seines Produktes direkt einbezogen werden.

Eine wichtige Bedeutung gewinnt die "Mass Customization": Es kann ein relativ großer Absatzmarkt bei gleichzeitiger Berücksichtigung individueller Kundenbedürfnisse zu Kosten von Standardprodukten bedient werden. Das bedeutet die Verknüpfung von Massenproduktion und Einzelfertigung entsprechend individueller Kundenpräferenzen. Daraus kann eine freiwillige Kundenbindung erwachsen, da das Wissen über den individuellen Kunden beim Produzenten zunimmt und individuelle Präferenzen vorweggenommen werden können. (Me)