Technik

Das griechische Wort "téchne" bezeichnet nicht nur Kunstfertigkeit, sondern auch Schlauheit und listigen Anschlag und "mechané" bedeutet nicht nur Werkzeug, Maschine, sondern auch Kunstgriff und Kriegslist, was auf die Zweideutigkeit des Begriffs hinweist. Im Gegensatz zur Antike und zum Mittelalter, wo noch ein teleologischer, also zielbezogener Technikbegriff vorherrschte, handelt es sich seit der Neuzeit, basierend auf einem mechanistischen Naturverständnis, eher um einen mechanistisch-methodischen Technikbegriff. Häufig werden die Begriffe "Technik" und "Technologie" synonym gebraucht; doch Technologie bezeichnet eher die Lehre von den Prinzipien der Technik.

Technik an sich ist danach eher die Art und Weise des Vorgehens, des methodischen Handelns, ganz unabhängig von den Inhalten und Ebenen: Technik des Maschinenbaus, Techniken der Verwaltung und Organisation, Techniken der Forschung und des Experimentierens, Techniken des Künstlers, des Sängers, etc. Technik ist also nicht allein die "stoffliche Verkörperung zweckmäßiger Mittel" (Werner Rammert).

So ist Technik bereits nach Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld (1868 - 1969) nicht mehr "blindes Können", nicht mehr eine "Waffe zur Selbstbehauptung", sondern sie repräsentiert heute ein "Können überhaupt". Für Hans Freyer (1887 - 1969) bedeutet Technik: "Potenzen bereitzustellen für freibleibende Zwecke wird seither zur zentralen Intention der Technik." Mit der Entwicklung der Technik steigert sich die "Machbarkeit" der Welt als ein Trend der modernen Zivilisation um ein Vielfaches. Gerade bei den modernsten Techniken erweisen sich diese Merkmale erneut in aller Deutlichkeit. Im Zusammenwirken aus Industrie, Technik und Naturwissenschaft werden stets neue "Machbarkeiten" mit neuen Qualitäten und überwältigenden Wirkungsketten und sozialen Implikationen erreicht; so etwa mit der Gentechnik (Zugang zum Erbgut lebender Wesen) oder den neuen Werkstoffen durch die Nanotechnik (Schaffung neuer, bisher unbekannter Werkstoffe mit vorher definierten Eigenschaften).

Anthropologisch betrachtet kann vor allem die Ingenieurs-Technik als Verobjektivierung des menschlichen Handlungskreises als technischer Regelkreis, zum Beispiel der Arbeit, wie es bereits der Ingenieur Hermann Schmidt in den fünfziger Jahren erkannte, verstanden werden. So ist sie quasi ein Spiegel des Menschen selbst und entwickelt sich nach seinem Vorbild, sie wird zu seiner "zweiten Natur". Ein Blick auf die menschlichen Fähigkeiten lässt erahnen, wohin die Reise der technischen Entwicklung geht. Damit folgt die technische Entwicklung dem Prozess der Entlastungstendenz des Menschen von "außen nach innen" - über die Stufe der Werkzeuge, der Arbeits- und Kraftmaschinen und der Automaten und Sensoren, mit denen jedweder Zweck ohne menschliches körperliches und geistiges Zutun erreicht wird. Technik, das ist also ein Dazwischenschalten von Mitteln, um ein Ziel rational zu erreichen, weil es schneller und besser geht - ein "Umzu-Weg" (Hans Sachsse 1906 - 1992). Sie bedeutet menschlichen Organersatz, -verstärkung , aber auch -ausschaltung.

Der Technik wird nicht nur eine rationale, sondern auch eine Triebkomponente zugeschrieben: Nach Arnold Gehlen (1904 - 1976) besteht der Antrieb zur Entwicklung der Technik in der Sehnsucht des Menschen, die Vollkommenheit des Automatismus in der Natur nachzuahmen. Mit technischem Tun setzt der Mensch also die Natur fort, er entwickelt ihr Werk bewußt kraft seines Vorstellungsvermögens weiter. Er muß als instinktarmes Wesen ("Mängelwesen", A. Gehlen) planvoll handeln, also Techniken entwickeln, um durch Anpassungsleistungen überleben zu können.

Technik wird stets auch sozial und ökonomisch geprägt und besitzt nicht allein eine Eigendynamik. Auch die Technikfolgen sind nicht zwingend immer die Gleichen. Ihre Entwicklung lässt sich nur im sozialen und normativen Kontext verstehen. Zwischen Technik, Wirtschaft und Gesellschaft herrscht ein dichter Wirkzusammenhang.

Mehr denn je repräsentieren heute integrierte Zukunftstechniken wie z. B. die Nanobiotechnologie eine neue "Potenz für freibleibende Zwecke" und neue Machbarkeiten. Zugleich bedeutet die Möglichkeit der Integration von Technik im Nanoformat in biologische Organismen und die Möglichkeit ihrer automatischen Reproduktion eine neue Funktionsstufe in der technischen Entwicklung. Die Grenzen zwischen Technik und Natur verschwimmen zusehends.

Nicht erst hieraus folgt die Verantwortung des Menschen dafür, welche Techniken er entwickelt und wozu er sie anwendet, sie wird nur erneut herausgefordert, was die Ethik-Debatten um die Gentechnik und die Erforschung embryonaler Stammzellen etc. verdeutlichen. Technik ist in wachsendem Maße zum Gegenstand einer reflexiven Modernisierung geworden, in der sich stets die ethische Frage nach den Grenzen der Machbarkeit stellt. Aus ihrer Potenz an neuer "Machbarkeit" und aus ihren unbeabsichtigten, auch globalen, Folgewirkungen an sich ergibt sich die gesellschaftliche Verantwortung bei der Entwicklung und beim Umgang mit moderner Technik. Nicht selten wird darüber gestritten, ob der gesellschaftliche Diskurs über mögliche negative Folgewirkungen nicht auch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt verzögere oder gar behindere. So hat auch ein Nicht-Handeln durchaus ethische Konsequenzen. (Me)